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Die 5897 km der Adams – Ein Schiedsrichterbericht

Es ist Ende August, als wir zum obligatorischen Sommerlehrgang aufbrechen, der für uns schon seit Jahren zur festen Saisonvorbereitung gehört. Auch im Landesverband Hessen gab es vor dem Start der neuen Spielzeit immer Vorbereitungslehrgänge. Meist waren die aber in Süd- und Mittelhessen. Nach unserem Aufstieg in das Unterhaus des DHB und der erfolgreichen Übernahme aus dem Anschluss- in den Standardkader der 3. Bundesliga müssen wir jedoch um einiges weiter fahren. Es geht nach Saarbrücken. Nach langer Coronapause finden nun die Lehrgänge wieder in Präsenz statt, sodass wir drei intensive Tage im Olymiastützpunkt Saarbrücken verbringen. Es gilt, die Regeländerungen zu besprechen und gemeinsame Richtlinien aufzustellen, nach denen wir die Spiele in der nahenden Spielzeit leiten sollen. Zudem werden Konditions- und Regelfragentests absolviert und – das darf natürlich auch nicht fehlen – der abendliche kollegiale Austausch gepflegt. Derartig auf die Saison eingestimmt starten wir bereits Anfang September die ersten Spiele.

Unsere Schiedsrichtereinsätze laufen dabei meist recht ähnlich ab. Wir packen in der Regel bereits am Vortag die Schiedsrichtertaschen nach dem Vieraugenprinzip. Trikots, Schuhe, Karten, Handtücher – alles wird doppelt überprüft. Ein drittes Paar Schuhe befindet sich für den Ernstfall ebenfalls in einer der Reisetaschen. Seit vorletzter Saison sind wir über den neuen sportlichen Ausstatter Puma komplett neu ausgerüstet worden. Das einheitliche Auftreten der Schiedsrichter ist Pflicht. Daher tragen wir am Spieltag häufig nichts anderes als unser Puma Outfit. Über das Videoportal Sportlounge haben wir uns in den davor liegenden Tagen bereits die beiden Mannschaften angeschaut. Gibt es besondere Angriffs- und Abwehrformationen? Liegen besondere Situationen aus vergangen Spielen vor? Wer sind die Shooter der Mannschaften? Wer wirft die 7m und mit welcher Hand? All das steht im Idealfall auf einem kleinen Ausdruck, der in der Dokumentenmappe mitgeführt wird.

Am Spieltag selbst übernehmen wir am Vormittag unseren Mietwagen und starten zeitig und ohne Stress zum Spielort. Meist sind das mindestens 2-3 Stunden Autofahrt, auf der wir immer Musik hören und unsere gemeinsame Zeit genießen. Spätestens zwei Stunden vor Anpfiff sind wir in der Halle und beziehen unsere Schiedsrichterkabine, in der wir uns erstmal einrichten. Danach machen uns mit der Umgebung, den Räumlichkeiten und den am Spiel beteiligten Personen vertraut. Das alles läuft sehr locker ab. Oftmals gibt es noch einen Kaffee und ein Stück Kuchen vom Hallenverkauf. Nach der Autofahrt ist es auch wirklich gut ein wenig Zeit zu haben, um herunterzukommen. Für den Ernstfall, dass es keinen Kaffee mehr gibt, führen wir aber in einer Thermoskanne immer auch eine eiserne Reserve mit uns. 60 Minuten vor Anpfiff finden wir uns mit dem Kampfgericht und den beiden Mannschaftsverantwortlichen zusammen, um die technische Vorbesprechung durchzuführen. Es werden Trikotfarben, Einlaufprocedere und Abläufe im Spiel besprochen sowie die Seitenwahl durchgeführt. Dann geht es für uns wieder in die Kabine. Wir wissen nun, welche Trikotfarbe wir wählen müssen und legen alle Sachen raus. Dann pairen wir unsere Funkheadsets, die wir seit Mitte Oktober für Drittligaspiele benutzen dürfen. Das ist immer eine längere Prozedur. Um Hektik kurz vor Spielstart zu vermeiden, kümmern wir uns also schon jetzt, ca. 45 Minuten vor Anpfiff darum.

Die Kommunikation unter uns ist mit den Headsets noch einmal besser geworden. Komplizierte Handzeichen fallen weg und wir beide können uns jederzeit über wichtige Entscheidungen beraten, uns gegenseitig auf Bereiche aufmerksam machen oder einfach nur ganz banal die Anzahl der unter passivem Vorwarnzeichen gespielten Pässe mitteilen. Nach den letzten Vorbereitungen auf das Spiel – der Ausdruck mit den Spielbesonderheiten spielt hier wieder eine wichtige Rolle – geht es raus zum Warmlaufen. Unparteiisch ziehen wir dabei unsere Bahnen genau in der Spielfeldmitte und dehnen uns anschließend vor dem Kampfgericht. Dann geht es wieder in die Kabine. Das passende Trikot wird angezogen und die Headsets am Oberarm installiert. Bis alles sitzt und ohne Spannung bewegt werden kann, braucht es manchmal ein paar Minuten. Es folgt eine kurze Kabinenansprache, in der auf die wichtigsten Dinge und Vorgehensweisen sowie ggf. Besondeheiten des Spiels eingegangen wird.

Abschließend checken wir alle Ausrüstungsgegenstände: Pfeife, Spielnotitzkarte, Uhr, Gelbe-Rote-Blaue Karte: Alles vorhanden, Perfekt! Dann geht es exakt 5 Minuten vor Anpfiff auf die Spielfläche. Wir nehmen unsere Position vor dem Kampfgericht ein. Simon rechts, Daniel links – Davon weichen wir seit wir zurückdenken können nicht ab. Die Mannschaften laufen ein. Manchmal gibt es dazu eine licht- und Pyrotechnikshow. Kurz vor Anpfiff gehen wir mit beiden Mannschaften zur Spielfeldmitte und tauschen die ritualartigen Begrüßungsformeln aus. Pünktlich wird dann das Spiel von Simon – auch das ist eine seit jeher geltende Konstante in unserem Gespann – angepfiffen. Zeitgleich startet der über Sportdeutschland.TV gesendete Livestream die Übertragung des Spiels; bei Männerspielen sogar immer mit Kommentator!

Nach 60 in der Regel sehr anstrengenden Minuten des Laufens, Entscheidens und Sanktionierens schließen wir das Spiel in der technischen Nachbesprechung mit der offiziellen Kennworteingabe ab. Manchmal findet sich auch noch der ein oder andere Trainer zu einer Nachbesprechung in unserer Kabine ein. Dann geht es aber rasch unter die Dusche und wir treten die Heimreise an. Zu Hause sind wir mitunter erst sehr spät Abends, manchmal auch erst weit nach Mitternacht. Ein Spieltag beginnt für uns häufig gegen 10:00 Uhr oder 11:00 Uhr und endet zwischen 23:00 Uhr und 02:00 Uhr. Je nach Spielort kann es auch sein, dass wir im Hotel übernachten, am nächsten Tag ein weiteres Spiel in der näheren Umgebung pfeifen und danach dann erst nach Hause fahren. Bei solchen Doppelansetzungen sind wir dann ein ganzes Wochenende unterwegs.

Der ein oder andere mag nun anmerken, dass das ja ein ganz schön großer Zeitaufwand sei. Verneinen können wir das natürlich nicht. Aber wir ziehen aus dem ganzen Reisen in Deutschland auch eine Menge positive Sachen. Neben den vielen tollen Erfahrungen, die wir in der 3. Liga bisher sammeln durften, halten wir auch den Kontakt zu Freunden und Verwandten aufrecht, indem wir auf unseren langen Fahrten all denen einen Besuch abstatten, die in der Nähe des Spielortes wohnen. Und bei Doppelansetzungen mit Hotelübernachtungen besuchen wir häufig Sehenswürdigkeiten in der Umgebung.

Wenn wir also nun am Ende der ersten Halbserie auf unsere geleiteten Spiele zurückschauen, können wir mit Stolz auf 15 Spiele in sechs Bundesländern zurückblicken, bei denen wir insgesamt unglaubliche 5.897km zurückgelegt haben. Verrückt – aber so sind wir ja. Der hohe Zeiteinsatz verhindert auf der anderen Seite aber leider häufig, dass wir in den Handballhallen in Hofgeismar oder Grebenstein anzutreffen sind. Dennoch lassen wir Euch die besten Grüße da und wünschen allen ein erfolgreiches und gesundes neues Jahr!

Eure Adams